Sonntag, 17. Februar 2013

Schelmenromane

Kein neuer Trend in der Literatur, aber ein durchaus toller ! 
[Allgemein finde ich ja, es wird viel zu selten über Literaturtrends in der Blogosphäre geschrieben.]
Zwei Vertreter dieses Genres habe ich in den letzten Wochen wörtlich inhaliert, fast am Stück verspeist, weil sie einen so dermaßen mitreißen, dass man das Buch gar nicht weglegen will und das macht ja letztendlich ein gutes Buch aus, oder ? 
Schelmenromane sind, so sagt Wikipedia: " eine (fingierte) Autobiographie. Sie beginnt oft mit einer Desillusionierung des Helden, der die Schlechtigkeit der Welt erst hier erkennt. Er begibt sich, sei es freiwillig, sei es unfreiwillig, auf Reisen."

Das erste, von dem ich berichten will, ist Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand.


Der Titel sagt eigentlich schon alles, ein alter Mann verschwindet aus dem Altenheim, weil's dort öde ist und er die Pfleger nicht leiden kann und begibt sich mehr oder weniger unfreiwillig auf einen wahnwitzigen Roadtrip. Allan Karlsson [der 100-jährige] trifft auf einen Biker-Club, einen pensionierten Berufsdieb, einen der fast alles studiert hat und nebenher wird sein Leben erzählt. Er hat eigentlich mit allen großen Politikern seiner Zeit eine Bandbreite an Schnaps, Bier und Wein zu sich genommen, ohne zu ahnen, wen er eigentlich vor sich hatte, egal, ob Stalin, Mao Tse Tung, Churchill oder Roosevelt. Nebenbei erfindet der Hobby-Sprengstoffexperte die Atombombe und gibt das Wissen sowohl an die Amerikaner, als auch an die Sowjets weiter und erst im Nachhinein wird ihm bewusst, wie sehr er damit die Weltgeschnisse beeinflusst hat ... Hoppla ! 



Das zweite Buch, dass ich vorstellen möchte ist Die Abenteuer des Joel Spazierer.

Joel Spazierer sammelt Identitäten, wie andere Briefmarken. 
Er wird in Ungarn geboren und als seine Großeltern verschleppt werden, bleibt er als Kleinkind alleine in der Wohnung seiner geliebten Moma und seines Großvaters zurück. Er lernt ohne Menschen auszukommen und verändert sich argh in jenen Tagen. Im betuchten Alter von, ich glaub, 60 Jahren rät ihm sein langjähriger Freund Sebastian, ein Autor, seine Lebensgeschichte als Schelmenroman niederzuschreiben und das tut er ja dann auch. Wir erfahren, dass Joel in Wien als Stricher, Drogendealer, im Gefängnis als KFZ-Mechaniker und in der DDR sogar als Professor an der Humboldt Universität arbeitet. Er gaunert, betrügt, ja er mordet sogar ohne schlechtes Gewissen, doch die Grenzen zwischen Gut und Böse sind in diesem Roman fließend und irgendwann weiss der Leser selbst nicht mehr, ob das noch in Ordnung geht, was dieser Joel da treibt, ob man ihn bemitleiden oder abstoßend finden soll.
Joels selbst muss auch erstmal herausfinden, was ein Schelmenroman ist, als ihm sein Freund den Vorschlag macht.

 "Darin wird von einem Helden erzählt, der Schreckliches tut und Schreckliches erleidet, für ersteres nicht zur Verantwortung gezogen wird und an letzterem nicht zugrunde geht, weil eigentlich nicht sein Schicksal interessiert, sondern das seiner Zeit, womit alle Menschen gemeint sind – außer ihm."


Beide Romane sind eine dicke Kauf- und Leseempfehlung !

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